„Ach, damals, wie oft habe ich mich mit Fittichen eines Kranichs, der über mich hinflog, zu dem Ufer des ungemessenen Meeres gesehnt, aus dem schäumenden Becher des Unendlichen jene schwellende Lebenswonne zu trinken und nur einen Augenblick, in der eingeschränkten Kraft meines Busens, einen Tropfen der Seligkeit des Wesens zu fühlen, das alles in sich und durch sich hervorbringt.
Bruder, nur die Erinnerung jener Stunden macht mir wohl. Selbst diese Anstrengung, jene unsäglichen Gefühle zurückzurufen, wieder auszusprechen, hebt meine Seele über sich selbst und lässt mich dann das Bange des Zustands doppelt empfinden, der mich jetzt umgibt.
Es hat sich vor meiner Seele wie ein Vorhang weggezogen, und der Schauplatz des unendlichen Lebens verwandelt sich vor mir in den Abgrund des ewig offenen Grabs. Kannst sagen: Das ist! da alles vorübergeht? da alles mit der Wetterschnelle vorüberrollt, so selten die ganze Kraft seines Daseins ausdauert, ach! in den Strom fortgerissen, untergetaucht und an Felsen zerschmettert wird?“
(Johann Wolfgang Goethe, Die Leiden des jungen Werther, 1774)
Goethes Jugendroman, der die Liebesleiden eines jungen Mannes bis hin zum Freitod durch die Pistole schildert, wirkte lange nach. So ist es nicht verwunderlich, wenn Johannes Brahms bei der Komposition seines Klavierquartetts in c-Moll gerade den Werther vor Augen hat, wie wir aus einem Brief an seinen Verleger wissen. Seine Totenglocken läuten im ersten Satz, begleitet von den Seufzern der Streicher; an seinen Gefühlsausbrüchen nimmt der Zuhörer Anteil; sein Prisma bricht Brahms› Erinnerung an die eigene Schwärmerei für Clara Schumann.
Auf das Quartett eingestimmt wird das Publikum in der ersten Konzerthälfte durch Brahms› grandiose Cellosonate in F-Dur und – ein stilistischer Kontrapunkt – Romanzen von Liszt und Wagner.
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